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Schneeschuhtour Niedere Tatra

Zu einer Schneeschuhtour durch die Niedere Tatrahatten sich sechs mutige Reisende gefunden: Chris Ulber, Jan Hildenbrandt, Pascal Kalmring, Werner Hogenkamp, Bodo Wolf und  Kathrin Reichardt. Die Anreise im „Chris-Bus“ gestaltete sich auf überwiegend Autobahnen staufrei und war in 9h erledigt. Am späten Nachmittag erreichten wir Stare Hory, einen kleinen Ort nördlich von Banska Bystrica, unterhalb von Donovaly auf ca. 500m Höhe. Wir bezogen in der im Vorfeld gebuchten „Penzion Daymont“ unsere Zimmer und stießen mit slowakischem Bier und Gulasch/Knödel in einer urigen Kneipe auf unseren Urlaub an.

Tag 1: Nachdem wir 2018 den Kamm der Niederen Tatra vom östlichsten Punkt (Telgart) aus Richtung Westen mit den Schneeschuhen bis zum Dumbier durchwanderten, war unser Plan für 2022, am westlichen Punkt Donovaly zu starten und den Kamm bis zum Dumbier wieder mit Schneeschuhen zu begehen.

Tag 2: Unsere Rucksäcke waren schnell gepackt; überflüssige Dinge blieben im Auto, das wir an der Unterkunft stehen lassen konnten. Nach einem deftigen Rührei-Frühstück und Kaffee fuhren wir mit dem Bus nach Donovaly, einem Skiort auf ca. 1.000m Höhe. Hier steppte der Bär – voller Parkplatz, volle Lifte – doch wir schlenderten gemütlich an allem vorbei, den Hang hinauf und raus aus dem Rummel. Es herrschten leichte Minusgrade, die Sonne schien – was wollten wir mehr? Noch mussten wir die Schneeschuhe tragen, aber das änderte sich bald. Der Wanderweg wurde schmaler und schneereicher und endlich konnten wir die Schneeschuhe anschnallen. Unser Weg führte über die Bergkuppe Hadliarka (1208m) zum Sattel Hiadelske Siedlo (1100m), bei der wir nach 4,5h und ca. 9km Entfernung eine offene Hütte vorfanden. Die kam wie gerufen, denn es fing an zu schneien und sollte nicht so bald aufhören. Schnell hatten wir uns eingerichtet: unten kochen, oben schlafen. Pascal und Werner schippten einen Lagerfeuerplatz, Jan versuchte Wasser zu holen – fand aber keines, denn die Quelle war eingeschneit, also ging es mit Bodo Holz holen und Chris kochte 3-Gänge-Menü (Brühe, Nudeln, Schokopudding).

 Tag 3: Es hatte die ganze Nacht geschneit; bis zum Mittag kam locker ein halber Meter Neuschnee zusammen. Chris hatte schon Kaffee und Müslifrühstück vorbereitet. Rucksack packen, Schneeschuhe und Gamaschen anziehen und 10 Uhr Start. Wir folgten dem roten Weg und wühlten uns durch den Schnee – Pascal als Spurentreter immer vorne weg. Bald hieß er nur noch Megapascal. Ein Warnschild mit Lawinengefahr machte die Sache nicht leichter. Gegen Mittag erreichten wir die Baumgrenze, um festzustellen, dass der Wind zu einem Sturm geworden war. Gegen Sturmböen von über 100km/h kamen Kathrin und Werner nicht an. Sie wurden mehrfach umgepustet. Der Schneesturm ließ uns die Schneestangen suchen und wir mussten aufpassen, dass wir uns nicht aus den Augen verloren. Kurz nach der Velka Chochulla (1753m) hatten wir erst ca. 4km geschafft und waren schon ziemlich kaputt. Es war schon 15 Uhr durch. Da wir außerdem überhaupt nichts sahen, entschlossen wir uns, auf der windabgewandten Seite wild abzusteigen. Die Hänge ging es steil runter, die Schneemassen waren kaum zu bändigen und wir mussten immer an die Lawinengefahr denken. Wir erwischten zufällig einen grünen Wanderweg und kamen nach ca. 700 Höhenmetern an der Javorinka-Forsthütte an, die zwar geschlossen, aber eine überdachte Sitzgelegenheit zum Kochen und Essen hatte. Schneeschaufeln, Fläche treten, Zelte aufbauen. Chris kochte wieder 3-Gänge-Menü (Brühe, Linsen, Grießbrei) und schnell hatten wir uns erholt. Da es an diesen Abend kein Lagerfeuer gab, waren wir beizeiten in unseren Schlafsäcken verschwunden und träumten von Sonne und Windstille.

Tag 4: Gegen 8 Uhr krabbelten wir aus den Zelten. Tauwetter setzte so langsam ein. Kaffee und Tee waren schnell gekocht und das Müsli gegessen. Dann machten wir uns auf den langen Abstieg ins Tal, 7 lange km, bis zur Hauptstraße vor Brusno, mit kurzen Pausen. Der Bus brachte uns zwei Stationen nach Nemecka, wo wir eine Koliba (urige slowakische Kneipe) fanden. Dort gab es Knoblauchsuppe, Bier und lecker Essen. Ein offenes Feuer trocknete unsere Sachen und der Kellner organisierte für uns eine Pension und ein Taxi dorthin. Es war fantastisch. Gegen 18 Uhr erreichten wir mit einem Taxi die Pension Hradisko, nahmen die Zimmer in Beschlag und genossen für den restlichen Abend die Sauna.

Tag 5: 10 Uhr holte uns das Taxi von gestern ab und wollte uns durch Predajna und Jasenie weit hoch zum Waldparkplatz am Ende des Lomnista-Tals bringen. Doch wir blieben bald stecken. Forstarbeiten und Schnee machten ein Weiterkommen per Auto unmöglich. Also liefen wir bei Sonne und null Grad die 8km zu Fuß bis zur Asmolovova Chata. Unterwegs entdeckten wir am Wegrand ein angefressenes Reh, das noch nicht lange so dagelegen haben konnte. Da hatten wir wohl einen Wolf gestört. Werner war kaum zu bremsen; er würde es gern aufsatteln. Das nächste Reh nimmt er auf jeden Fall mit. Wir holten noch Wasser aus einem tiefverschneiten Bach und machten uns auf einen steilen Aufstieg querfeldein. Pascal, unser Held, spurte und trat Treppenstufen bis hoch hinauf. Bodo und Jan wollten Pascal gern die Arbeit abnehmen und auch mal spuren. Pascal war zwar damit einverstanden, aber: „nur wenn ihr mich überholt“. Da war natürlich nichts zu machen. Die Waldgrenze erreichten wir zur Dämmerung und das restliche Wegstück bis zur Utulna Durkova auf 1630 m Höhe waren dann schnell geschafft. In der Hütte war es warm und gemütlich, der Ofen brannte und wir konnten unsere Schuhe trocknen. Wirt Pawel kochte Tee und Linsensuppe und wir genossen bei Werners Gitarrenmusik Bier und selbstgemachten Schnaps.

Tag 6: Heute sollte es die Königsetappe werden. Wir standen zeitig auf, frühstückten Rührei und Würstchen und verließen die Hütte gegen 8.30 Uhr. Auf dem wunderschönen Kamm stapften wir 12km über verschiedene Gipfel wie Chabanec (1955m) und Kotliska (1937m). Eine Gemse ließ sich ganz entspannt blicken und leider nahmen auch die Sturmböen wieder zu. An der Kotliska mussten wir über eine Schneekante alpinistisch absteigen, die nur mit Skistocksicherung und Stufenschaufeln zu meistern war. Steil ging es den Hang hinunter. Der Wind fegte uns fast vom Grat. Die Liftstation war schon lange zu sehen, aber der Kamm zog sich zum Schluss mühsam dahin. Den Derese (2004m) mussten wir noch erklimmen und dann war die Seilbahn-Gipfelstation mit der Kamenna Chata neben dem Chopok endlich geschafft. In der nagelneuen, modern eingerichteten Hütte bekamen wir Lagerplätze, ein warmes Abendbrot, genossen den fantastischen Sonnenuntergang und spielten am Abend Doppelkopf.  

Tag 7: Der Blick aus dem Fenster war gar nicht toll: alles wolkenverhangen und sturmgepeitscht. Den kurzen Aufstieg zum Chopok (2024m) wagten wir noch, aber auch dort oben blies uns der Sturm fast um. An ein Weiterlaufen zum Dumbier war überhaupt nicht zu denken. Wir entschieden uns, ins Tal abzusteigen. Jan, Pascal und Werner machten sich auf den Weg hinab; Chris, Kathrin und Bodo wollten eigentlich mit der Gondel fahren. Die blieb aber irgendwann aufgrund des Sturmes stehen und so mussten wir bis zur Mittelstation auf der schwarzen Piste absteigen und konnten nur das letzte Stück mit der Gondel ins Tal fahren. Eine kurze Kaffee-Kuchen-Zwischenrast und dann ging es mit dem Bus in drei Etappen über Brezno und Banska Bystrica ohne lange Umstiegszeiten und zudem preiswert zurück zum Auto nach Stare Hory. Maria in der „Pension Daymont“ wartete schon auf uns. Das Abschluss-Essen ließen wir uns in der Starahorka schmecken. Velmi pekne dakujeme – ganz vielen Dank. 

Tag 8: Die Rückfahrt nach Gutendorf/Erfurt über Bratislava, Brno, Prag und die A4 verlief reibungslos mit einer letzten Knödel-Gulasch-und Knoblauchsuppen-Rast. 10 Stunden später waren wir am Ziel. Es war eine spannende Abenteuer-Tour mit viel Schnee und Wind, aber auch netten Leuten, genialer Verköstigung und wundervollen Eindrücken.

Text: Kathrin Reichardt /// Fotos: Bodo Wolf und Jan Hildenbrandt