© Anna Fuchs

Freiwilligendienst in Tansania

Reisebericht

01.02.2023

von Anna Fuchs (Text und Fotos)

„Habari? - Nzuri!“ Diese Begrüßung begleitet mich nun seit drei Monaten, die ich inzwischen in Tansania bin. Das heißt so viel wie „Hallo, wie geht’s? -Mir geht es gut!“. In dieser Zeit ist unfassbar viel passiert, ich durfte bereits zahlreiche Erfahrungen sammeln und bin sehr dankbar, dieses Abenteuer erleben zu dürfen.

Doch fangen wir einmal ganz von vorne an:

Zu Beginn der 11. Klasse, also im Herbst 2021, begann ich immer häufiger darüber nachzudenken, was ich denn nun nach dem Abitur machen möchte. Direkt studieren war für mich keine Option. Nach zwölf Jahren in Erfurt wollte ich gern weit weg, ein neues Land mit seiner Kultur richtig kennenlernen und mich gleichzeitig sozial engagieren. Ein Freiwilligendienst im Ausland erschien mir dafür optimal. Durch Empfehlungen stieß ich auf „In Via Köln“ als Entsendeorganisation und war direkt von zahlreichen Einsatzstellen, besonders denen in Afrika, begeistert. Noch am selben Tag bewarb ich mich auf eine der Einsatzstellen in Tansania. Und so kam es, dass ich schon zwei Wochen später an den Online-Orientierungstagen teilnahm, bei denen wir von Ehemaligen über ihre Erfahrungen hörten, uns über unsere eigenen Vorstellungen und Beweggründe bewusst werden sollten, wodurch meine Begeisterung noch viel größer wurde. Am Ende dieses Wochenendes entschied ich mich dazu, mich final auf die Einsatzstellen an den Schulen in Tansania zu bewerben.

Schon eine gute Woche später, am 6. Dezember 2021, erhielt ich dann die Zusage von In Via für meinen Freiwilligendienst an der St. John Vianney School in Tansania. Ein besseres Nikolausgeschenk hätte ich mir wohl kaum vorstellen können.

Das nächste halbe Jahr trat der Gedanke an den Freiwilligendienst während Alltag und Abi-Stress wieder etwas mehr in den Hintergrund, aber durch einige Zoom-Treffen und das Lesen der Infomappe wurde ich immer wieder daran erinnert. Langsam ging es los mit Vorsorgeuntersuchungen, Impfungen, dem Visum und ersten Besorgungen.

Eigentlich wäre im Juni dann das erste Vorbereitungsseminar in Solingen gewesen, um all die anderen Mitfreiwilligen kennenzulernen. Aufgrund von Corona konnte ich daran ärgerlicherweise nicht teilnehmen.

Im August fand das zweite Vorbereitungsseminar statt, bei dem ich dann zum Glück dabei sein konnte. Kaum war ich in Bergneustadt angekommen, wurden wir von den Teamenden herzlich in Empfang genommen und ich traf endlich meine Tansania-Mitfreiwilligen. Es wartete eine Woche voller interessanter Einheiten auf uns. Dabei ging es um Teambuilding, wir wurden viel zum Nachdenken über unsere eigenen Vorstellungen, Erwartungen und Grenzen angeregt. Außerdem besprachen wir Themen wie Sexismus, Rassismus und Diskriminierung, verschiedene Gesellschaftsmodelle, sowie Sicherheitspläne für Krisenfälle. Dadurch lernte ich viel Neues und bekam einige Denkanstöße, als Unterstützung während des Freiwilligendienstes. Die Tage schlossen wir immer in Reflexionsgruppen ab. Neben den Einheiten, ging es für uns zum Baden an die Talsperre, wir machten abends Lagerfeuer oder spielten Volleyball und egal, wo ich mich befand, begann immer ein spannendes Gespräch mit anderen Freiwilligen oder einer der Ehemaligen. Dieser Austausch war total spannend und wir als Tansania Gruppe wuchsen schnell zusammen.

Zum Abschluss ging es für alle knapp 60 Freiwilligen gemeinsam nach Köln zur Entsendefeier. In den Räumlichkeiten von In Via wurden wir schon von unseren Eltern oder anderen Verwandten und Freund*innen empfangen, konnten diese einander vorstellen, bevor dann die offizielle Feier begann. Mit vielen herzlichen Worten, Gesang und einem Segen wurden wir so in den Freiwilligendienst entlassen. Die Woche war super bereichernd und hat meine Vorfreude auf die Zeit in Tansania nochmal ansteigen lassen. Seit dem Seminar waren die Tage bis zur Ausreise gezählt und ich befand mich in einer Mischung aus Packen, Vorbereitung und Verabschiedung.

Ein paar Tage vor Abflug kamen all meine engsten Freund*innen und Verwandten zusammen und wir feierten eine Abschiedsfeier. Dadurch wurde die baldige Ausreise nochmal viel realer. An diesem Abend bekam ich einige kleine Geschenke und Andenken, die mich seither hier in Tansania begleiten.

Am 6. September 2022 war es dann so weit und ich verabschiedete mich am Flughafen in Berlin von meinen Eltern und zwei Freundinnen. Auch wenn mir dieser Abschied nicht leicht fiel, überwog in diesem Moment die Neugier und Vorfreude auf alles, was mir bevorstand.

Gegen 14 Uhr ging es für meinen Mitfreiwilligen Juri und mich dann endlich los nach Istanbul. Trotz Verspätung unseres ersten Fliegers, schafften wir es noch rechtzeitig zum Anschlussflug und trafen da die restlichen Tansania-Freiwilligen. Gemeinsam flogen wir von Istanbul zum Kilimandscharo Airport. Von Stunde zu Stunde stieg bei uns allen die Aufregung deutlich an und ich konnte es nicht wirklich realisieren, als wir nach etwa sieben Stunden wirklich in Tansania gelandet waren. Aus dem Flugzeug raus, wurden unsere Bordkarten, Reisepässe, Corona-Impfausweise kontrolliert, wir mussten ein Dokument fürs Visum ausfüllen, dieses bezahlen und hatten so alle ein Touristen-Visum für die ersten drei Monate. Auch all unser Gepäck war angekommen, sodass dieser erste große Schritt geschafft war.

Gegen drei Uhr nachts haben wir dann den Flughafen verlassen und wurden von Father Jerome, unserem Mentor vor Ort, abgeholt. Bereits die erste Fahrt in seinem Jeep war turbulent, die Koffer aufeinander gestapelt, sodass wir sie halten mussten, damit sie nicht auf uns fallen, ging es etwa anderthalb Stunden nach Himo. Im Dunkeln ließ sich noch nicht allzu viel erkennen, aber schon allein der Linksverkehr war ungewohnt und zeigte mir, dass ich gerade ganz weit weg von zuhause war.

In Himo angekommen, ging es dann von der großen geteerten Straße hinab auf einen holprigen Weg aus roter Erde bis wir an unserer Unterkunft waren. Himo ist ein kleiner Ort, etwa 25 Kilometer von der nächstgrößeren Stadt Moshi entfernt. Er liegt ganz im Norden Tansanias, nur 15 Kilometer entfernt von der kenianischen Grenze.
Dort leben wir gemeinsam auf einem Grundstück mit unserer Gastfamilie. Diese wohnt im Vorderhaus und besteht aus Mama Agnes, Baba Kelvin und den drei Kindern Clara (1,5), Christina (7) und Christian (10). Wenn man um den vorderen Teil herum geht, kommt man zu unseren Bereich, der aus einem Innenhof besteht, von dem an drei Seiten die Zimmer abgehen. Wir haben jede*r ein Zimmer mit Bett, Schrank, Schreibtisch und einem kleinen Badezimmer. Außerdem haben wir eine Gemeinschaftsküche mit einem Esszimmer und einen Aufenthaltsraum, in dem sich bereits Bilder, Bücher und Spiele der ehemaligen Freiwilligen befinden. Von den Eltern unserer Gastfamilie wurden wir direkt herzlich in Empfang genommen und zu unseren Zimmer geführt. Bei Ankunft hatten wir schon den ersten Stromausfall, authentischer ging es also fast gar nicht. Dadurch konnten wir noch nicht allzu viel erkennen, unsere Betten haben wir mit der Taschenlampe aber schnell gefunden und uns so erst einmal von der langen Reise ausgeruhen können.
Am nächsten Morgen zum ersten Mal in Tansania aufzuwachen, war ein super merkwürdiges Gefühl, in dem Moment konnte ich die Situation noch nicht wirklich realisieren.

Für uns ging es los mit einem Frühstück bei Father Jerome im Kilacha. Dies ist ein landwirtschaftlicher Betrieb, in dem ebenfalls zwei von uns Freiwilligen arbeiten. Nachdem wir über das Gelände geführt worden waren, ging es erstmal wieder in unsere Unterkunft zurück. Als ich all meine Sachen eingeräumt und Bilder aufgehangen hatte, wirkte mein Zimmer direkt viel persönlicher und fühlte sich total schnell nach meinem Zuhause an.

Im Laufe der ersten Tage zeigte uns Baba Kelvin all die Grundlagen für unser Leben in Himo. Wir haben zum ersten Mal tansanische Währung, die heißt tansanische Schilling, abgehoben. Je nach Wechselkurs entspricht ein Euro ungefähr 2400 Schilling, wodurch ich immer super viele Scheine dabei habe, was sich zu Beginn echt merkwürdig angefühlt hat. Zudem haben wir uns M-Pesa besorgt, das ist unser Guthaben fürs Handy, was man an jedem Kiosk holen kann. Die SIM-Karten für uns alle einzurichten, hat bestimmt zwei Stunden gedauert, in diesem Moment ist mir so richtig bewusst geworden, wie arg in Deutschland alles auf Effizienz getrimmt ist und hier die Dinge mit viel mehr Ruhe angegangen werden. Auch wenn ich in der Situation vom langen Warten etwas genervt war, das Motto „Pole Pole“, was so viel wie „Immer mit der Ruhe“ bedeutet, finde ich hier wirklich in nahezu allen Lebensbereichen und schaffe es immer öfter, einfach hinzunehmen und manchmal sogar fast zu genießen.
Am nächsten Tag ging es für uns zum Sokoni, also dem Wochenmarkt, der jeden Montag und Donnerstag in Himo ist. Wie wuselig, laut, eng und voll dieser Markt war, lässt sich nicht wirklich beschreiben und ist absolut nicht vergleichbar mit einem Wochenmarkt in Deutschland. Überall liegen Decken oder Planen auf dem Boden mit Obst und Gemüse, dazwischen stehen Tische mit Waren, es sind Schirme darüber aufgespannt, sodass wir uns irgendwie durchschlängeln mussten. Anfangs war ich von diesem Gewusel komplett überfordert, aber habe mich inzwischen so daran gewöhnt, dass es mir jedes Mal Spaß macht.

Neben dem Erkunden der Umgebung haben wir auch viel Zeit in unserer Unterkunft verbracht, Mama Agnes hat uns zum Beispiel gezeigt, wie wir richtig mit der Hand waschen, was seither wöchentlich zu unserer Routine gehört. Auch mit den Kindern der Gastfamilie haben wir uns angefreundet und inzwischen fühlen sie sich wirklich wie Geschwister an. An einem weiteren Abend haben wir für uns und unsere Gastfamilie Kartoffelpuffer mit Apfelmus selber gemacht, um Ihnen ein typisches deutsches Gericht zu zeigen. Da wir mal wieder Stromausfall hatten, haben wir alle zusammen mit Stirnlampen Kartoffeln geschält, gerieben, das Apfelmus gekocht und die Kartoffelpuffer gebraten. Denn hier beginnt schon gegen 18 Uhr die Dämmerung und spätestens 19 Uhr ist es komplett dunkel, sodass man auf Licht am Abend angewiesen ist. Das Kochen mit Taschenlampen ist langsam Teil des Alltag und gibt immer wieder witzige Situationen ab.

Nachdem wir uns in Himo zurecht finden konnten, ging es gemeinsam mit Baba das erste Mal nach Moshi. Dazu fährt man mit dem Dala Dala, also einem Kleinbus, der nach dem Prinzip funktioniert, so viele Menschen rein zu quetschen, wie es nur irgendwie geht, etwa eine Stunde. Moshi ist die nächstgrößere Stadt, mit etwa 200.000 Einwohnenden, in der man echt alles findet. Wir sind etwas durch die Straßen geschlendert, haben ein Tuk Tuk zu einem Second Hand Markt genommen, waren in einem größeren Supermarkt und haben währenddessen immer wieder ein paar neue Wörter auf Swahili von Baba gelernt. Moshi war nochmal größer, lauter und voller als Himo, sodass ich sehr schnell ziemlich platt war. Zum Mittag haben wir in einem Imbiss zum ersten Mal Chipsi Mayai probiert, was einfach Pommes, die mit Ei übergossen werden, sind. Es klingt zwar nicht besonders, ist aber besonders mit der Tomaten- und Chilisoße dazu, eins meiner absoluten Lieblingsgerichte hier in Tansania.

Am Abend wurden wir spontan auf den Geburtstag des Gründers der St. John Vianney School in Malowa, in der Julika und ich arbeiten, eingeladen. Das war eine einmalige Erfahrung, wir haben mit den Sisters, also den Nonnen, getanzt, vom tansanischen Buffet gegessen, den landestypischen Liedern gelauscht, uns wurde die Choreo zum Lied „Jerusalema“, welches hier rauf und runter gespielt wird, beigebracht und wir haben den typischen In Via Tanz zu „Cotton Eye Joe gezeigt“. Ob wir dafür eher ausgelacht oder mit uns gelacht wurde, weiß ich noch immer nicht so genau, aber wir hatten auf jeden Fall Spaß.

Bevor es am Sonntag los zu einem Ausflug mit unserer Gastfamilie zu den Wasserfällen bei Marangu ging, wollten wir gern einmal mit zu einem Gottesdienst. Tansania und auch unsere Gastfamilie ist stark katholisch orientiert, sodass die Messe am Sonntag bereits um 6 Uhr begann. Also hieß es für uns um 5 Uhr aufstehen und im Dunkeln mit Baba zur Kirche in Himo laufen. Vom Gottesdienst selbst haben wir natürlich nicht wirklich etwas verstanden, da alles auf Swahili war, aber mal zu sehen, wie alles abläuft war recht interessant, wenn auch mit einer Länge von über zwei Stunden sehr lang. Anschließend sind wir mit dem Dala Dala etwa 20 Minuten gefahren und von Marangu aus zu den Wasserfällen gewandert, in denen wir sogar schwimmen gehen konnten. Solche Erlebnisse gemeinsam mit unserer Gastfamilie genieße ich sehr.

Bevor unsere Arbeit in den Einsatzstellen begann, fand noch ein zweiwöchiger Sprachkurs statt, in dem wir von Baba die Grundlagen für Swahili lernten. Vor allem um die Preise im Dala Dala oder auf dem Markt zu erfragen und etwas Small-Talk zu führen, half dies sehr. Die Nachmittage nutzten wir zur weiteren Erkundung der Umgebung, waren zum ersten Mal allein in Moshi, haben den Kilimandscharo erblickt, eine Wanderung unternommen, bei der einfach Affen unseren Weg gekreuzt haben.

In den ersten Wochen habe ich wohl das erlebt, was man als einen Kulturschock bezeichnet. Alles war neu, laut und ungewohnt und ich war jeden Abend von all den neuen Eindrücken ziemlich überfordert. Doch durch viel Schlaf und den Austausch in der WG konnte ich all die Erlebnisse verarbeiten und gewöhnte mich schnell an mein Leben hier in Tansania.

Nach etwa zweieinhalb Wochen begann für Julika und mich dann die Arbeit in der Schule in Malowa. Zwar waren wir bereits zum Geburtstag des Gründers der Schule, sowie in der Woche des Sprachkurses für eine Graduation dort und hatten so das Gelände, einige der Sisters, sowie Teacher schon einmal gesehen, aber noch nicht wirklich unsere Einsatzstelle kennengelernt.

Malowa liegt etwa 40 Minuten mit dem Boda Boda, also dem Motorrad, von Himo entfernt. Seit der ersten Woche fährt uns Juhdi jeden Montag und Freitag von seiner tansanischen Musik begleitet hin und her. Zuerst geht es ein paar Kilometer auf der Main Street entlang, bevor der Großteil der Strecke Off-Road entlang führt. Der Ort befindet sich direkt an der kenianischen Grenze und ist etwas höher als Himo gelegen, sodass wir einen richtig schönen Ausblick über die umliegende Landschaft haben.

Dort befindet sich vor allem die St. John Vianney Pre-, Primary- und Secondary School und dem anliegenden Sisters Convent des Ordens „Adorer Missionary Sisters of the Poor“. In diesem wohnen Julika und ich mit etwa 25 Nonnen zusammen. Wir haben eine kleine Wohnung mit zwei Zimmern und Bädern, einer Küchenecke, die sich direkt unter dem Gebetsraum der Nonnen befindet, wodurch deren regelmäßiger Gesang beim Beten ein ständiger Begleiter unseres Alltags ist.

Die ersten Tage haben wir von ihnen das Gelände gezeigt bekommen, gemeinsam mit ihnen gegessen und so einen Einblick in ihr Leben bekommen, was für mich eine vollkommen neue Erfahrung war.
Am Montag ging dann unsere Arbeit in der Pre- and Primary School los. Also einer Grundschule, in der Kinder von 4 bis 15 Jahren in der Nursery, Pre-Unit, sowie Klasse 1-7 unterrichtet werden. Insgesamt sind etwa 300 Kinder auf der Schule, von denen ein Großteil aufgrund der abgelegenen Lage auch in den anliegenden Dormetorys wohnt, es ist also eine Art Internat. Neben den 13 Lehrkräften, sowie dem Schulleiter, arbeiten daher noch einige Betreuerinnen vor Ort, die sich nach der Schule um die Kinder kümmern, die Wäsche der Jüngsten waschen oder beim Duschen helfen.

Auch wenn wir von den Sisters super herzlich aufgenommen wurden, fielen mir die ersten Tage mir nicht ganz so leicht. Durch die anstehenden Examen fand kein normaler Schulbetrieb statt, alles war sehr ungeordnet und ohne Struktur, die Kinder hatten somit keine richtigen Aufgaben und so kam ich mir etwas verloren vor. Zudem hatten wir in unserer Wohnung anfangs kein Gas, kein fließendes Wasser und häufig auch keinen Strom, wodurch wir kein Trinkwasser abkochen konnten, beim Essen sehr von den Nonnen und ihrem Rhythmus abhängig waren und mich die neue Wohn- und Arbeitssituation im Allgemeinen ziemlich überfordert hat. Da wir die Wochenenden weiter immer in Himo verbracht haben, brauchte ich einige Wochen, um mich an den ständigen Wechsel und die zwei sehr unterschiedlichen Wohnorte zu gewöhnen. In der Schule haben wir in der ersten Zeit versucht, uns dennoch Beschäftigungen zu suchen, viel in der Küche beim Schnippeln geholfen, mal ein paar Tests korrigiert, in vereinzelt stattfindenden Unterrichtsstunden zugeschaut oder versucht Anschluss zu den Lehrkräften und Kindern zu finden. Alles wirkte auf mich recht unorganisiert und so hatte ich Schwierigkeiten Aufgaben zu finden, die ich übernehmen konnte. Besonders durch den ständigen Austausch mit meiner Mitfreiwilligen Julika gelang es mir diese Situation hinzunehmen und immer wieder zu überlegen, an welchen Stellen meine Unterstützung erwünscht wäre.

Mit der Zeit habe ich immer mehr meinen Platz in der Schule gefunden. Nachdem die Examen vorbei waren, durften wir selbst einige Stunden übernehmen, da die Kinder und auch der Schulleiter sehr interessiert an Deutsch-Unterricht waren. Auch wenn mir bewusst ist, dass dies für die meisten der Schüler*innen keine wirkliche perspektive hat, ist es für sie eine Möglichkeit mal etwas vollkommen Neues, fern ab vom sonst sehr theoretischen Unterricht zu lernen und mit kreativen Unterrichtsmethoden in Kontakt zu kommen. Allein zu sehen, wie motiviert und wissbegierig viele der Kinder sind, gibt mir das Gefühl, dass dieser Unterricht eine Chance ist, voneinander zu lernen. Dadurch, dass es sich bei der St. John Vianney School um eine eine Privatschule handelt, findet der gesamte Unterricht auf Englisch statt, was uns die Kommunikation mit den Kindern ermöglicht. So haben wir inzwischen in der dritten, fünften und den beiden sechsten Klassen jeweils zwei Unterrichtsstunden pro Woche. Dafür haben wir Themen wie Begrüßungen, sich selbst vorstellen, Farben, Tiere, Wochentage, Monate oder einfache Kinderlieder wie „Alle meine Entchen“ oder „Zum Geburtstag viel Glück“ vorbereitet und uns überlegt, wie wir diese den Schüler*innen auf verschiedene Weisen beibringen können. Auch die monatlichen Tests, sowie Examen am Ende des Schuljahres haben wir für Deutsch entworfen und anschließend korrigiert. Diese Mischung aus kreativer Arbeit und vor allem der gemeinsamen Zeit mit den Kindern, bereitet mir viel Freude.
 

Neben dem Deutschunterricht, haben wir außerdem häufig im Englischunterricht der sechsten Klassen mitgeholfen. In Absprache mit dem Lehrer entwarfen Julika und ich Plakate zu zahlreichen Grammatikthemen, die wir uns zuvor erarbeiteten, den Schüler*innen im Unterricht erklärten und zusätzlich in selbstgestalteten Übungen festigten.
Zusätzlich zur Arbeit im Unterricht helfen wir in der Frühstück- und Mittagspause immer beim Austeilen des Essens für die Schüler*innen. Für diese gibt es morgens Porridge, ein Brei aus Maismehl und Wasser. Die Lehrkräfte, Julika und ich bekommen einen gesüßten Schwarztee und dazu eine Art Milchbrötchen oder Mandazi, ein sehr beliebtes Hefeteiggebäck. An den meisten Tagen essen wir zum Mittag Ugali, wobei es sich um einen landestypischen Maisbrei handelt. Dazu gibt es Bohnen und Brühe. Mittwochs gibt es statt Ugali Reis zu den Bohnen und am Freitag ab und zu Makande, eine Art Eintopf aus Sojabohnen und Mais ist. Durch solche kleine Aufgaben, wie das tägliche Austeilen des Essens entsteht etwas Struktur in den Schultagen, was mir sehr geholfen hat.

Jeden Mittwoch und Freitag geht es anstelle der letzten beiden Unterrichtsstunden nach dem Mittagessen auf die Fields. Dort haben die Schüler*innen die Möglichkeit, Fußball oder Volleyball zu spielen, wir nutzen die Zeit, um mit ihnen zu quatschen, mal zu tanzen oder uns andere Freizeitbeschäftigungen zu überlegen, wofür sonst im Schulalltag keine Zeit bleibt. Denn die Kinder haben täglich von 8-15 Uhr Unterricht, mit zwei Pausen, die vor allem für das Essen vorgesehen sind und verbringen die Nachmittage in den Dormetorys mit Putzen, Lernen und vereinzelten weiteren Unterrichtsstunden.

Ein weiterer Bestandteil unseres Alltages in Malowa ist außerdem das Brötchenbacken mit den Sisters am Freitagmorgen geworden. Das Leben einer Nonne ist in meinen Augen eine sehr extreme Lebensweise, was den Austausch mit ihnen total interessant macht. Die Zeit beim Backen, nutzen wir immer, um ganz viel darüber zu erfahren. Außerdem bringen Julika und ich inzwischen immer unsere Musikbox mit und hören so alles von Karnevals-, Weihnachts- oder typischer tansanischer Musik und sowohl wir, als auch die Sisters, lieben das sehr. So macht das Vorbereiten des Teiges und Formen der ungefähr 850 Brötchen für das Konvent, die Primary- und Secondary-School immer echt Spaß und ich freu mich jedes Mal wieder auf den Freitagvormittag. Einige der Nonnen lernen wir so von Zeit zu Zeit besser kennen und sie sind mir echt ans Herz gewachsen.

Inzwischen habe ich das Gefühl, in der Einsatzstelle richtig angekommen zu sein und auf jeden Fall meinen Platz gefunden zu haben. Vor allem das Interesse der Kinder sowie einiger Lehrkräfte, motiviert mich immer wieder und durch diesen gegenseitigen kulturellen Austausch lerne ich ständig Neues dazu.
Die einzigen Momente, in denen ich mich in der Schule unwohl fühle, sind die, in denen ich mitbekomme, wie eines der Kinder geschlagen wird. Durch das dauerhafte Umherlaufen nahezu aller Lehrkräfte mit einem Stock, ist das Thema sehr präsent. Er kommt zum Einsatz, um die Kinder zum Folgen der Regeln zu bringen oder als Bestrafung bei unzufriedenstellenden Ergebnissen. Dies mit anzusehen, ohne wirklich etwas dagegen machen zu können, fällt mir sehr schwer. Wir versuchen dahingehend immer wieder mit den Lehrkräften zu reden, den Kindern in unserem Unterricht andere Lehrmethoden nahezubringen und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich uns gegenüber anzuvertrauen. Vor allem durch das gemeinsame Verarbeiten solcher Situationen mit Julika, finde ich einen Weg, damit umzugehen.

Gegen 15 Uhr endet meist der Unterricht in der Schule, womit auch wir Schluss haben. Die Zeit nutzen wir zum Lesen, Sport machen, Tagebuch schreiben, Waschen oder Kochen, viele Freizeitaktivitäten findet man in Malowa nicht, da es neben der Schule, dem Konvent und einem Tomatenstand, nichts weiter gibt. Besonders zu Beginn empfand ich diese viele freie Zeit, als ziemlich anstrengend. Solch ein isoliertes Leben könnte ich mir definitiv nicht auf Dauer vorstellen, schaffe es inzwischen aber darin etwas Gutes zu sehen und die vorhandene Zeit zum Reflektieren zu genießen.

Dienstags ist im etwa 30 Minuten entfernten Mwika immer ein Markt, auf dem es eine große Auswahl an Obst und Gemüse gibt, sowie viele Second-Hand Kleidung. Darüber zu schlendern, sowie danach ein Chipsi Mayai zu essen, ist inzwischen ein festes Ritual von Julika und mir geworden, auf das ich mich immer wieder freue.
Auch mit den Lehrkräften gehen wir ab und zu mal zum nahegelegenen Kiosk zum Fußball gucken, der beiden großen tansanischen Vereine Simba und Yanga. Die Entscheidung, welches Team wir unterstützen, wurde im Lehrerzimmer groß diskutiert, da Fußball hier wirklich auf allgemeine Begeisterung stößt.

Unsere Wochenenden verbringen wir immer gemeinsam mit den anderen Freiwilligen in Himo. Neben Ausflügen wie beispielsweise an den Lake Chala, hatte ich die Möglichkeit eine Woche in Bukoba am Viktoriasee zu verbringen, wir sind oft in Moshi unterwegs oder gehen abends mal in eine Bar in Himo. Außerdem genieße ich die Zeit mit der WG und unserer Gastfamilie total. Wir lernen immer mehr tansanische Gerichte von unserer Gastmama, haben letztes Wochenende gemeinsam mit den Kindern Ausstechplätzchen gebacken oder haben schon tansanische Bräuche, wie dem Geburtstagskind einen Eimer Wasser über den Kopf zu kippen, übernommen.

Alles in allem fühlt sich Tansania inzwischen wirklich wie mein Zuhause an und ich könnte mir gerade nicht vorstellen, irgendwo anders zu sehen. Da jetzt die großen Weihnachtsferien begonnen haben, habe ich nun bis Anfang Januar frei und freue mich da sehr auf geplante Reisen, sowie die Weihnachtszeit gemeinsam mit den anderen Freiwilligen und unserer Gastfamilie. Wie es danach weiter gehen wird, ist derzeit unklar, da es Schwierigkeiten mit unserem beantragten Arbeitsvisum gibt. Da sich bisher dafür keine langfristige Lösung gefunden hat, empfinde ich die derzeitige Situation als ziemlich belastend. Nichtsdestotrotz oder vielleicht auch genau deshalb, versuche ich so gut es geht im Moment zu leben und alles zu genießen.

Ich bin gespannt, auf all die anstehenden Erlebnisse in den nächsten Wochen und freue mich davon bald zu berichten!

Kwaheri, Anna